Vom Abort zum Kultort – das ist die Geschichte vom 'Palast der Republik' an Stuttgarts Friedrichstraße in wenigen Worten zusammengefasst.
An lauen Sommernächten drängen sich hunderte, meist junge Menschen, um das eher kleine unscheinbare Gebäude gegenüber des Friedrichsbaus. Da die Lokalität kaum Stühle und Bänke zu bieten hat, ist das Pflaster rund um den Pavillon meist ebenfalls belegt. Kult hat zwischenzeitlich sicherlich auch der Minotaurus von Wolfgang Seitz direkt neben dem Pavillon.
Die Stuttgarter Zeitung hat das Treiben rund um den 'Palast der Republik' in ihrer online-Ausgabe vom 10. Januar 2012 – 11:00h sehr schön beschrieben:
Im Sommer super. Panische Handyanrufe inbegriffen. "Ich bin seit 15 Minuten hier und nein, ich sehe euch nicht". Ja, ist voll hier wenn es draußen warm wird. Kurzum: Hier ist der Sommer zuhause. Wenn nach einem langen Winter die Temperaturen wieder steigen und man schon so bei 18 Grad zum T-Shirt greift, dann ist es Zeit für ein Bier am Palast. Oder eine Cola. Wenn man über 50 Beinpaare steigen muss um zur Bar zu gelangen, dann weiß man: Der Sommer ist da. Jetzt im Winter ist der Platz leer, der Pavillon gerade geschlossen. Winterschlaf ist angesagt. Doch jedes Mal, wenn man vorbeiläuft, dann muss man an den Sommer denken, an die eingeschlafenen Beine auf Beton und die durchgedrückten Handgelenke auf dem Asphalt. An die schwüle Nacht im Juli oder August und das letzte Getränk in der Herbstsonne auf Bierbänken. Sommer im Herzen und so. Lieber Palast, wir mögen dich.
Ursprünglich wurde der sechseckige Pavillon als Klohäuschen erbaut, dessen Aborte unterirdisch angelegt waren. Dort befinden sich noch heute die Toiletten des nur knapp 30 Personen fassenden Gastraumes. In den 1930er Jahren erfolgte die erste Umnutzung. Die in und um Stuttgart bekannte Buchhandlung Wittwer hat darin eine ihrer Verkaufsstellen eröffnet.
Nach den Bombenangriffen 1944 diente der Bücherkiosk bis 1947 als einzige Verkaufsstelle des Unternehmens Wittwer. In den Nachkriegsjahren kamen wieder weitere Verkaufsstellen der Wittwer-Buchhandlung hinzu. Der Kiosk mit der hausinternen Bezeichnung 'Stand A' wurde in den 1970er Jahren geschlossen, da der Kiosk-Betrieb an diesem Standort nicht mehr rentabel war.
1989 wurde der Pavillon von zwei bekannten Stuttgarter Gastronomen erworben und zu einem Gaststättenbetrieb umgebaut. Da die Wiedervereinigung sich immer mehr abzuzeichnen schien, war der Name der neuen Lokalität schnell gefunden 'Palast der Republik' in Anlehnung des zwischenzeitlich abgerissenen Namensgebers in Berlin.